Viele Pässe und viel Nässe (14.8.2020)

 


14. August 2020, Freitag


Das nächtliche Gewitter hat ganz schön geputzt, und am Morgen kann ich zu meiner grossen Freude hinter der Wolkendecke schon wieder etwas blauen Himmel und sogar die Sonne erahnen. Auch hat sich mein Handy schneller erholt als erwartet und ist zum Glück wieder einsatzbereit. Statt Plan B in der Oststeiermark kann ich nun wieder auf meinen Plan A zurückkommen und Richtung Norden die fehlenden Pässe im Burgenland sowie eine ganze Menge nahe beieinanderliegender Pässe auf dem Weg weiter nordwärts anpeilen.

Zügig fahre ich die knapp 30 km der ersten Etappe zum Wenzelanger Sattel und anschliessend nur einen 4-km-Hupf zum letzten Burgenländer Punkt namens Guglhupf. Von diesem künstlich aufgeschütteten Aussichtsberg geniesse ich den Blick bis zu den Karawanken und freue mich schon jetzt auf die Erkundung jener Pässe in zwei Wochen.



Auf nach Niederösterreich!
Nun heisst es Abschied nehmen vom Burgenland, denn schon nach wenigen Kilometern erreiche ich den untersten Zipfel von Niederösterreich mit dem märchenhaften Namen "Bucklige Welt"; bekannt ist das Dreiländereck (der Dritte im Bunde ist die Steiermark) auch als Land der 1000 Hügel. Das passt super, denn hier, im niederösterreichischen Teil, warten eine Menge Pässe auf mich. Meine Route führt als erstes zum Höhwirt bei Neunkirchen, dessen stattliches Lokal auf der Passhöhe aufgrund der Pensionierung des Wirtspaares geschlossen ist. Auffallend viele Gaststätten sind auf meiner Reise zu, wobei anders als in diesem Fall wohl meistens die Pandemie Schuld ist. Nach einer Runde über eine wunderschöne Höhenstrasse zur Wallfahrtskirche Maria Schnee in Kaltenberg fahre ich wieder südwärts bis zur Passhöhe des Wechsels, einer Panoramastrasse, die bis zum Bau der Autobahn in den 80er-Jahren die Hauptverbindung zwischen Wien und Graz war. Mich zieht es jedoch wieder nach Norden, wenn auch die Wolken in dieser Richtung erneut eine dunklere Farbe annehmen...



Weitere Wetterunbill
Das Ortsschild des Höhenkurortes St. Corona am Wechsel wurde in diesem Jahr vermutlich häufiger als sonst fotografiert - und auch ich kann der Versuchung nicht widerstehen... ;-) Während dem anschliessenden Aufstieg zur Steyersberger Schwaig, einem Knackpunkt auf 1371m.ü.M., komme ich ein bisschen in die Bredouille - die knapp 10km vom Tal hinauf sind zwar eine kurze Strecke, aber die Wolken über mir werden immer düsterer. Bis da oben werde ich in praktisch unbesiedeltem Gebiet unterwegs sein und muss auf gleichem Weg wieder runter; falls das Gewitter ausbrechen sollte, bevor ich oben bin, wäre es eventuell fahrlässig, nicht vorzeitig umzukehren. Wenn ich den Punkt aber nicht heute holen kann, müsste ich später nochmals für diesen einen Nachweis eine riesige Zusatzschlaufe drehen. Mit diesen Gedanken pushe ich meine kleine Honda hoch, Regen und heftiger Wind stören mich nicht gross, solange es nicht blitzt. Superglücklich komme ich oben an und schiesse in Rekordtempo mein Nachweisbild, bevor ich wieder die Abfahrt antrete, was ich zwar ziemlich bedaure. Aber wenn's jetzt knüppeldick kommen sollte, müsste ich mir jedenfalls nicht mehr den Kopf zerbrechen, was ich machen soll, sondern nur schauen, dass ich heil runterkomme. Diesmal habe ich mir allerdings umsonst Sorgen gemacht, die schwarze Front hat sich über den Berg nach Westen verzogen, und auf meiner Seite des Tales ist es wieder etwas freundlicher.

Uralte Bäume und andere Sehenswürdigkeiten
Mitten im hübschen Städtchen Kirchberg am Wechsel fällt mein Blick beim Vorbeifahren auf einen riesigen Baum, der wie eingeklemmt scheint zwischen zwei alten Häusern; auf dem einen der beiden steht in altdeutschen Lettern "Gasthaus zur 1000 jährigen Linde"! 1000 Jahre?! Ich traue meinen Augen kaum und stelle meine Honda sogleich in der Nähe ab, um dieses Ungetüm näher zu betrachten. Vermutlich auf der Suche nach Licht zwischen den beiden Häusern hat sich ein einziger riesiger Seitenast entwickelt, welcher waagrecht quer durch den Garten des Restaurants bis fast zum anderen Haus reicht und von dort senkrecht in die Höhe steigt. Eine Holzkonstruktion unter diesem "Ellbogen" muss die enorme Last stützen. Ehrfurcht packt mich beim Gedanken an das Alter dieses Giganten und an all die Dinge, die er in diesen Jahrhunderten erlebt haben muss...


Nach einem kurzen Mittagessen beim Ramswirt auf dem Ramssattel fahre ich frisch gestärkt über fünf weitere Pässe kreuz und quer durch die Gegend, die Distanzen sind alle sehr überschaubar, manchmal betragen sie nur wenige Kilometer. Ein zweites Mal fahre ich auf einer dieser Strecken an einer wunderschönen, grossen Linde vorbei, der Schubertlinde in Grünbach am Schneeberg. Eine weitere Besonderheit entdecke ich später im Dörfchen Zweiersdorf am Strassenrand bei der Abzweigung zur Wallfahrtskirche Maria Kirchbüchl-Rohthengrub: ein etwa 1,50m hohes Modell ebendieser Kirche, welche ich ein wenig später beim Aufstieg zur Hohen Wand von Weitem in Natura sehe. Bestes Marketing!



Die Hohe Wand

Foto: Von Michael Schmid - Stitched from photos taken myself, CC BY 2.5 https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=876090
Quelle für dieses Foto: Von Michael Schmid - Stitched from photos taken myself, CC BY 2.5 https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=876090



Der Aufstieg auf die Hohe Wand verspricht laut Beschreibung viel, und ich werde tatsächlich nicht enttäuscht! Schon von Weitem sehe ich die "Wand", ein etwa 8 km langes Karstplateau, dessen Südostseite eine praktisch senkrechte Felswand ist. In diese Wand hinein wurde 1932 in nur elf Monaten eine spektakuläre, stellenweise sehr enge Strasse hineingebaut mit einer Galerie, sich windenden Kehren, einer Steigung von bis zu 14% und natürlich einer Aussicht sondergleichen. Es macht solchen Spass, da hochzufahren, dass ich, am Ende der Strasse bei der "Kleinen Kanzel" auf 1065m.ü.M. angekommen, am liebsten umkehren würde und es nochmals tun. Ich entscheide mich stattdessen für eine kurze Ruhepause auf einem ergonomischen Holzliegestuhl inklusive Panoramablick und auf dem Rückweg für einen kurzen Foto- und Videostopp in einem Eckchen, wo kein Auto Platz hätte zum anhalten.








Ein verregneter Tagesabschluss
Beim nächsten Punkt in Dreistetten, es ist mittlerweile halb sechs, hängen die Wolken wieder schwarz und schwer über der Landschaft und beim übernächsten Punkt beginnt es wettermässig erneut brenzlig zu werden. Das Ungemütliche an den Gewittern ist, dass ich beim Passknacken nun mal öfters auf dem höchsten Punkt bin, wo häufig nichts anderes als ein Baum oder ein paar Bäume und vielleicht noch eine Kapelle stehen.

So auch beim Kuhhaltriegel. Nachdem ich hier mein Nachweisbild im Kasten hab und die Regenwolken vor mir sehe (die ich als Andenken auch gleich noch fotografiere), möchte ich einfach nur noch runter vom Berg. Unten im Tal geht das Gewitter prompt los. Leider gibt es weit und breit kein Hotel, nicht mal ein Restaurant, sodass ich unter einem Autounterstand eine gute Stunde warte, bis die Blitzerei vorbei ist und es nur noch regnet.

So fahre ich weiter über die Ochsenweide, wo sogar zu meiner Freude ein später Sonnenschimmer durch die Wolkendecke leuchtet, bevor es kurz darauf wieder weiterregnet. In der nächsten Ortschaft Pernitz gibt es zwar ebenfalls kein Hotel, aber dafür ein Restaurant. Mein Navihandy ist unterwegs total ausgestiegen, und so mache ich mich dank Simkartenwechsel per Ersatzhandy auf Hotelsuche und finde auch bald ein Zimmer in der Pension Bärenschlössl in Berndorf, 18 km von hier. Nachdem ich mir während dem Nachtessen den Weg so gut wie möglich eingeprägt habe, fahre ich ohne Navi über den "Hals", wo ich im Stockfinsteren mit Müh und Not das letzte Nachweisfoto für heute aufzunehmen versuche. Falls es von den Admins nicht akzeptiert werden sollte, müsste ich nochmals hierher zurückkommen. Aber erst freue ich mich nun auf eine gemütliche Übernachtung in einem richtigen Schlösschen!






Litzelsdorf - Wenzelanger Sattel - Guglhupf - Höhwirt/Hochneunkirchen - Kaltenberg/Maria Schnee - Wechselpass - St. Corona am Wechsel - Steyersberger Schwaig - Rams - Eselberg - Gasteil - Gutenmann - Grünbacher Sattel/Bergerwirt - Ascher - Kleine Kanzel (Hohe Wand) - Dreistetten - Am Hart - Kuhhaltriegel - Ochsenheide - Auf dem Hals - Berndorf

Total 289 km




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