Zu zweit in der Süd- und Oststeiermark (28.8.2020)




28. August 2020, Freitag


Das Frühstück im Gasthof Torwirt in Lavamünd ist, wie das gestrige Abendessen, hervorragend und die Bewirtung so herzlich, dass man sich total wohl und willkommen fühlt. In dieser Nacht konnte ich zudem meine Batterien nach dem aufreibenden gestrigen Tag wieder so gut aufladen, dass ich mich für die bevorstehende lange Tour mit Robert fit fühle und voller Freude zu unserem Treffpunkt bei der nahen Tankstelle fahre.

Nach herzlicher Begrüssung und Volltankung unserer beiden Motorräder starten wir sogleich auf der Soboth-Passstrasse Richtung Südsteiermark, wo mich mein Bikerkollege mit jahrelanger Erfahrung vorausfahren lässt. Der Anstieg zum Koglereck ist schön und kurvenreich aber so extrem steil, dass meine kleine Honda mit dem ganzen Gepäck und nun auch noch vollem Tank schon nach wenigen Kehren an ihre Powergrenzen kommt. Ich hatte im Vorfeld zwar schon vorgewarnt, dass meiner 125er halt gewisse Grenzen gesetzt sind, aber so langsam wie gerade eben ist auch für mich ein absoluter Tiefpunkt… Ausgerechnet dieser Pass als Einstieg für unsere Tour! - denke ich und hoffe, dass es Robert nicht schon jetzt bereut, sich auf diese lange Tour mit mir eingelassen zu haben. Endlich oben angekommen, entschuldige ich mich, dass es nicht schneller ging. Er zeigt sich aber völlig locker und macht mir überhaupt keinen Druck, was mich ziemlich beruhigt.

Toll ist auch, dass er sich um die Nachweisfotos kümmert; so kann ich am Punkt einfach meine Honda neben seiner GS positionieren und auf ihr sitzen bleiben - und muss nicht wie sonst vor jedem Absteigen penibel genau auf die Neigung des Geländes achten, damit sie mir mit ihrer Ladung nicht wieder umkippt, weil sie ein klitzekleines Bisschen zu schief auf dem Seitenständer steht. Für die Fahrt zum nächsten Punkt rufe ich mir wie gewohnt die Route auf Google Maps ab, doch Robert schlägt mir vor, dass er mich kurz vor der nächsten grossen Abzweigung überholen und mir dann vorausfahren könne. Gesagt, getan, und ab dem Moment, wo ich ihm hinterherfahre, schaue ich nicht mehr auf mein Handy sondern nur noch auf die Strasse und in die Landschaft – ein völlig neues Fahrgefühl in einer mir noch unbekannten Gegend! Kommt dazu, dass ich bei anspruchsvolleren Passagen voll auf die Linienführung meines Kollegen zählen und seiner Spur folgen kann, was für mich Anfängerin, als die ich mich immer noch sehe, eine super Übung ist. Diese Art zu fahren ist für mich so viel entspannter, dass ich frage, ob wir es nicht weiterhin so halten könnten, womit er sofort einverstanden ist. Mein normales Tempo habe ich schon nach dem ersten, schwierigen Aufstieg wieder gefunden, und so reiht sich nun beschwingt ein Punkt an den anderen.

Die grösste Weintraube der Welt

Nach einem Grenzabstecher zum Radlpass fahren wir eine längere Passage ostwärts parallel zur slowenischen Grenze, über kurvenreiche und teils enge Strässchen hinein ins Gebiet der riesigen Rebberge entlang der südsteirischen Weinstrasse. Da Robert die Gegend in- und auswendig kennt, zeigt er mir auf ein paar kleinen Umwegen auch manch schönen Punkt, an dem ich sonst vorbeigefahren wäre. Beeindruckend ist z.B. die laut Guiness-Rekorde Grösste Weintraube der Welt bei Glanz an der Weinstrasse:



Steirische Traditionen

Immer wieder begegnen wir seltsamen grossen Holzkonstruktionen, bei denen es sich um den sogenannten Klapotetz handelt, eine aus verschiedenen klingenden Hölzern gebaute Riesenklapper. Ursprünglich als Vogelschreck in den Rebbergen aufgestellt, wird er heute als Wahrzeichen der Südsteiermark und Symbol für die Weinbautradition angesehen. Auch treffen wir häufig auf Wegweiser zum Buschenschank: In diesen von Bauernhöfen betriebenen Schenken werden eigene Erzeugnisse angeboten, neben Wein und Obstsäften vor allem die Brettljause mit Brot, verschiedenen Fleisch-, Käse- und Gemüsesorten, Eiern und anderen Produkten des Hofes sowie viele andere typischen Speisen der Südsteiermark.


Unser Mittagessen halten wir jedoch nicht in einem typischen Buschenschank, sondern fahren erst eine grössere Strecke Richtung Nordosten und erreichen kurz vor zwei Uhr Glojach, wo wir unter grossen Sonnenschirmen auf der Terrasse des Gasthofes Leber die hervorragende regionale Küche geniessen. Hier in der Oststeiermark befindet sich eine grössere Anzahl von Pässen, die ich eine gute Woche zuvor als Plan B vom Burgenland her besuchen wollte, hätte das Wetter im Norden sich nicht beruhigt. So fahre ich diese Gruppe wie ursprünglich geplant zusammen mit Robert an - und das ist ein Glück, denn auch hier gibt es für mich so viel Neues zu sehen, was meine Neugierde weckt. Wenn ich alleine unterwegs bin, halte ich bei eindrücklichen Punkten häufig an, um Fotos zu machen, aber zu zweit würde das den Reisefluss zu sehr stören. So frage ich Robert bei den Zwischenstopps, was es mit diesem oder jenem auf sich habe und auch, ob er z.B. bei einer der vielen Hopfenplantagen einen Fotostopp einlegen könnte oder beim nächsten schönen Kürbisfeld, wo die Kürbisse so schön in Reih und Glied auf dem Acker liegen, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Diesen Gefallen tut er mir bei den nächsten Gelegenheiten und erklärt mir gleich auch noch die Hintergründe dazu. 


Steirischer Ölkürbis

Die vielen mit dem Steirischen Ölkürbis kultivierten Felder haben es mir ganz besonders angetan, und da ich in dieser Jahreszeit Ende August unterwegs bin, kann ich sie zudem in drei verschiedenen Erntestadien sehen: im ersten liegen die reifen Kürbisse noch unordentlich zwischen ihren grossen, dunkelgrünen Blättern so, wie sie den Sommer hindurch herangewachsen sind. Im zweiten sind sie bereits geerntet und von allen Blättern befreit fein säuberlich aneinandergereiht in langen, regelmässigen Linien auf dem nackten Feld, wo sie anschliessend von speziellen landwirtschaftlichen Maschinen zerhackt werden, um an die Kerne zu kommen, aus denen dann das berühmte steirische Kürbiskernöl gewonnen wird. Die Felder im dritten Stadium rieche ich schon von weitem, denn die liegengelassenen Kürbisreste, die nicht für den Verzehr geeignet sind, beginnen zu gären und verbreiten einen ganz speziellen säuerlichen Geruch, den ich noch nie zuvor in meinem Leben gekannt hatte. Und die Felder sehen nach der Prozedur aus, als ob eine Herde Wildschweine über sie hergefallen wäre - ein Gemetzel sondergleichen!

Es macht einfach extrem viel Spass und Freude, auf diese Weise eine neue Gegend kennenzulernen. An dieser Stelle möchte ich mich bei Robert noch einmal von Herzen bedanken für seine professionelle, interessante, freundschaftliche und höchst humorvolle Tourleitung!



Die Brille ist weg...
Auf der Weiterfahrt von der Pernreither Höhe, dem nächsten Pass nach dem Kürbisfeldstopp stelle ich nach einem Blick auf die Armatur fest, dass sie unschärfer aussieht als gewohnt… ein ungutes Gefühl beschleicht mich, und der Griff unters Visier an die Nase bestätigt mit Schrecken meinen Verdacht: meine Brille sitzt dort nicht mehr drauf! Die Fotografiererei beim Kürbisfeld und das interessante Gespräch hatten mich so in Bann gezogen, dass ich die sonst immer gleiche Reihenfolge beim Helm- und Brilleaufsetzen scheinbar missachtet hatte, bzw. schlicht den letzten wichtigsten Schritt vergass, die Brille durchs offene Visier hindurch wieder auf die Nase zurückzusetzen. Vermutlich lag diese beim Wegfahren immer noch oben auf dem Gepäck und fiel bei der nächsten Kurve in hohem Bogen auf die Strasse oder ins Gras… Nachdem ich Robert mein Missgeschick signalisieren kann, fahren wir erst die Strecke zurück zur Pernreither Höhe und anschliessend nochmals den ganzen Weg zurück zum Kürbisfeld, mit den Augen konzentriert die gesamte Strassenbreite und den Rand absuchend, doch leider umsonst. Auch eine genaue Untersuchung von all meinen Wegen beim Feld bringt meine Gleitsichtbrille, die ich für die Nähe brauche, aber zum Glück nicht zwingend zum Fahren, nicht mehr zum Vorschein.

Tischlerwirt und Gruberwirt
Neben der Brille haben wir eine gute halbe Stunde durch meine Unachtsamkeit verloren. Nun müssen wir langsam auf die Uhr schauen und die letzten Pässe anpeilen. Ich kann übernachten, wo es gerade passt, aber Robert hat schliesslich ab dem letzten Punkt noch einen Heimweg von etwa 150 km vor sich. So fahren wir die verbleibenden Pässe ohne zusätzliche Fotostopps bis zum letzten Nachweisbild auf dem Fasslberg in der Nähe von Graz. Einen kurzen, aber gemütlichen Abschluss unserer Tour feiern wir ein paar Kehren weiter beim Tischlerwirt, bevor sich Robert beim Eindunkeln auf den Heimweg macht, während ich ein Bett in der Nähe suche, denn hier ist ein perfekter Startpunkt für die für morgen geplanten Pässe nördlich von Graz. Schnell werde ich fündig beim Gruberwirt am Grazer Nordrand, nur 5 km von hier entfernt und mache mich sogleich auf den Weg. Bei einem feinen Nachtessen auf der Gartenterrasse und dem obligaten weissen Spritzer lasse ich den unglaublich ereignisreichen, schönen Tag, den ich zum ersten Mal auf dieser langen Reise in Gesellschaft fahren konnte, ausklingen.




Die Routenkarte vom 28. August:


Lavamünd - Koglereck/Soboth - Striegeleben/St. Lorenzen - Radlpass - Kreuzwirt (Leutschach) - Weintraube - Karnerberg - Kreuzegg (Demmerkogelgeist) - Labillberg - Wölferberg - Gluchenegg - Tofferlegg/Binderhansl - Pernreither Höhe/Hohewart - Klausen/Dachsberghöhe -Habegg/Ederberg - Sachsenberg - Fasslberg - Graz-Mariatrost


Total 296 km

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