Start ins Open-End-Abenteuer! (25.-26.8.2020)

 


25. August 2020, Dienstag

Nach einer fulminanten Derniere wurde gestern Abend - zum ersten Mal in dieser Pandemieversion der Festspiele - zu einem Fest eingeladen: zur Dernierenfeier dieser Elektra-Produktion, welche für Viele ein Symbol des Widerstands der Kultur gegen die verheerenden Auswirkungen dieses Virus und den daraus entstandenen Einschränkungen darstellte. Die Reden und Gespräche waren denn auch so emotional, dass kaum ein Auge trocken blieb, ganz besonders, als sich eine Besucherin zu Wort meldete und die Dankbarkeit aus Sicht des Publikums so veranschaulichte, dass wir alle den Eindruck hatten, die ganze Welt wäre eins. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Die Festspiel-Situation war vermutlich so schwierig wie nicht mehr seit dem Krieg - aber der Zusammenhalt unter allen Beteiligten eine Kraft, die scheinbar sämtliche Grenzen zu sprengen vermochte.

Nachdem ich gestern die Honda für den neuen Vorderreifen und einen generellen Check zum Motorradhändler gebracht, in der Zwischenzeit das Nötigste in einem Waschsalon gewaschen sowie das meiste meiner Habseligkeiten zusammengepackt hatte, bleiben für heute noch die Verabschiedung im künstlerischen Betriebsbüro, die Beladung der Honda und die Wohnungsreinigung für die Übergabe um zwei Uhr nachmittags. Und dann - DANN GEHT ES LOS! Von jetzt an nur noch vorwärts, keine langen Rückfahrten mehr, jeden Tag fahren auf Strassen und Wegen, wie ich sie liebe, meistens abseits von den grossen Trampelpfaden, zu immer neuen Zielen ins Unbekannte hinaus. Und da warten auf mich auch die beiden Treffen für gemeinsame Touren in Kärnten, auf die ich mich besonders freue. Die Ostkärntner-Tour mit Robert am 28. August ist ja schon lange abgemacht, und für das Treffen in der Gegend um Klagenfurt mit Erika und ihrem Mann hoffe ich auf den 27., wenn meine Pläne aufgehen und ich bis dann die fehlenden Punkte auf dem Weg dorthin schaffe.

Auf in den Süden!
Total beladen und total glücklich fahre ich am frühen Nachmittag los mit dem ersten Ziel, der Turracher Höhe östlich der Nockberge. Nach St. Michael im Lungau merke ich einen Moment zu spät, dass ich eine falsche Abzweigung erwischt habe und beschliesse nach einem kurzen Blick auf die Karte wie oft in einem solchen Fall, dass ich lieber einen kleinen Umweg mache anstatt umzukehren. Manchmal entdeckt man gerade dann Unerwartetes. Und genau so ist es auch diesmal: Auf diesem kleinen Nebensträsschen stehe ich plötzlich vor einer riesigen Burg, etwas versteckt hinter Bäumen auf einer Anhöhe. Es handelt sich um das Schloss Moosham, welches auch ein Museum und Apartments beherbergt. Ich begnüge mich indessen mit einem längeren Blick und ein paar Fotos und erreiche etwas später nach ein paar Abzweigungen wieder meine ursprüngliche Route ins Turrachtal.

Reizvolles Gurktal
Nach der enorm steilen Abfahrt die Turracher Südrampe hinunter geht es von Ebene Reichenau westwärts ins Gurktal hinauf zur Hochrindl-Alp, wo ich auf der Weiterfahrt nach Süden eine erste wunderbare Aussicht zu den fernen Karawanken geniesse, zu denen es mich schon lange wieder hinzieht.




Nach einem weiteren Übergang, diesmal wieder Richtung Norden, komme ich zurück ins Gurktal und halte im nächsten Dorf Weitensfeld vor einem Hotel, da sich die Sonne bereits hinter der Kirche für heute verabschiedet. Leider ist das Hotel, wie viele andere auch, geschlossen, und so suche ich mit ein paar Telefonanrufen weiter und finde ein Zimmer im Gasthof Hochsteiner in Glödnitz, etwa 8 km norwestlich von hier. Da ich noch ein bisschen Zeit habe, mache ich eine Zusatzrunde über zwei weitere Wasserscheiden in der genau entgegengesetzten Richtung. 

Uuuups...
Im abgelegenen Weiler Masternitzen realisiere ich eine halbe Sekunde zu spät, dass ich das Gewicht meines Gepäcks nicht perfekt auf meine Honda verteilt hatte: noch bevor ich auf den Auslöser fürs Nachweisbild drücken kann, kippt sie auf der seitlich leicht abschüssigen Strasse um - wenigstens weich landend auf dem Seitenkoffer mit meiner Wäsche drin. Es ist enorm anstrengend, sie mit der ganzen Ladung wieder aufzustellen, und bevor ich es schaffe, kommt mir die Bäuerin vom Gutshof nebenan zu Hilfe und macht auch gleich das Nachweisbild mit mir, während ich die Honda stütze, bevor sie mir ein zweites Mal umzukippen droht. Nach einem längeren fröhlichen Schwatz in dieser Stellung fahre ich weiter über den Pisweger Sattel zurück ins Gurktal und dann endlich hinauf nach Glödnitz in mein Nachtlager.

Als krönenden Abschluss geniesse ich die wunderbare Spezialität hausgemachter Kärntner Kasnudeln und feiere für mich ganz allein den Start meiner Ferien-Tour und gleichzeitig grössten Challenge, der ich mich bisher als Motorradanfängerin gestellt habe.




26. August 2020, Mittwoch


Nach einem stärkenden Frühstück mache ich mich auf den Weg nach Norden - der Aufstieg beginnt kurz nach dem Dorf und bietet von der Flattnitzer Landestrasse aus schon nach wenigen Minuten einen herrlichen Blick zurück ins flache Tal des Glödnitzbachs.

Nach Flattnitz steht endlich wieder der Grattinger Sattel auf der Liste, der vor drei Tagen von der steirischen Seite her gesperrt war. Einem ersten kleinen Schock, als ich von Weitem schon wieder eine Fahrverbotstafel entdecke, weicht Erleichterung beim Lesen der näheren Angabe "ab Landesgrenze". Ich checke nochmals kurz auf Google, ob der Passknackerpunkt tatsächlich in Kärnten und nicht in der Steiermark liegt und fahre dann etwas beruhigter, aber immer noch ziemlich gespannt hoch. Tatsächlich erreiche ich den Punkt ohne Probleme und kann ihn nun endlich abhaken. Die friedlich weidenden Kühe auf der Passhöhe sehen mich neugierig an aber lassen sich nicht stören. Auch ich geniesse für einen Moment die Ruhe hier oben.


Näher zu den Karawanken
Weiter geht's zurück ins Metnitztal und danach über die wunderschöne abgelegene und kehrenreiche Bergstrasse nach Prekowa wieder südwärts, wo ich beim malerischen Städtchen Strassburg erneut im Gurktal lande und gleich anschliessend auf der anderen Talseite wieder hochfahre nach Gunzenberg, von wo aus die Aussicht auf die blau erscheinenden Karawanken spektakulär ist.



Hunger
Während ich kreuz und quer zu meinen Punkten fahre, muss ich das Mittagessen immer wieder auf später verschieben, da so viele Gasthöfe geschlossen sind. Auch hier beim Gasthaus Wegscheide mit seiner prädestinierten Lage, wo tatsächlich fünf Strassen sternförmig aufeinandertreffen, sind die Türen verschlossen. Aber kurz danach, um drei Uhr nachmittags, treffe ich in Hoch St. Paul auf die "Jausenstation Winter", wo an grossen Tischen vor dem Haus etliche Menschen bei Speis und Trank sitzen. Ich bin super froh, dass ich um diese Zeit noch etwas Feines zu Essen bekomme!

Zeitlich liege ich nicht schlecht. Auf dem Weg Richtung Wörthersee, in dessen Umkreis ich mich morgen irgendwo mit dem Kärntner Bikerpaar zu einer gemeinsamen Runde treffen möchte, bleiben nur noch zwei Punkte, die Simonhöhe gleich um die Ecke und danach der Ossiacher Tauern, der ein ganzes Stück weiter westlich auf mich wartet. Die Auffahrt dort hinauf überrascht mich mit einer Schotterstrasse, die ich so in der Beschreibung nicht in Erinnerung hatte. Sie ist jedoch trotz meiner Ladung nicht allzu schwierig zu fahren, aber dennoch bin ich ziemlich erleichtert, als ich ohne Problem gut oben ankomme. Sicher wird die Strasse auf der anderen Seite runter zum Ossiachersee gut ausgebaut sein und erst noch eine wunderschöne Aussicht bieten, denke ich mir.

Herausforderndes Terrain
Der Anfang dem Tauernteich entlang ist auch ganz lieblich und erfreulich, obwohl auch hier nicht asphaltiert - aber nach der nächsten Kurve komme ich ganz schön auf die Welt: plötzlich geht der Weg nicht nur steil runter, er ist auch so von den Unwettern der letzten Woche zerfurcht, dass ich vor einer echten Herausforderung stehe! Wenn ich da mit meinem Motorrad nur heil hinunterkomme, denke ich! Ich nehme mir ganz viel Zeit und hoffe, dass ich möglichst das Gleichgewicht nicht verliere und, falls ich abstehen muss, genug Boden unter den Füssen finde. Und auch das ist nicht einfach! Aber - und da bin ich neben der Sorge um meine Honda doch ein wenig erstaunt über mich selbst - irgendwie finde ich es auch extrem spannend, diese unerwartete Strecke alleine bewältigen zu müssen. Ich konzentriere mich nur auf die Meter vor dem Vorderrad, um allzu grossen Steinbrocken, Löchern und sonstigen Hindernissen ausweichen zu können. Mit der Zeit finde ich einen gewissen Rhythmus, mache dazwischen ein paar Stopps um durchzuatmen und arbeite mich so Höhenmeter um Höhenmeter runter zum Ossiacher See. Auch das mit der Aussicht hat meine Erwartung bis zuletzt nicht erfüllt, denn fast die ganze Strecke führt durch Wald. Erst auf der allerletzten Kehre, wo auch die Strasse wieder flacher und in besserem Zustand ist, öffnet sich der Blick plötzlich auf den ganzen See, über Villach hinaus bis zu den Karawanken und zu den dramatischen Wolken am Himmel, durch die ein paar Sonnenstrahlen den Weg finden und die Wasseroberfläche des Sees glitzern lassen.


Nur schon dieser Anblick entschädigt mich für die eben erlebten Momente der Anspannung. Aber noch viel mehr ist es die Erleichterung und die Freude, dass ich diese für mich wirklich schwierige Passage gemeistert habe. Eine Sache ist es, über schön asphaltierte Strassen von einem Pass zum anderen zu fahren, aber etwas ganz anderes ist es, auch mit so einem Terrain zurecht zu kommen - und erst noch mit dieser ganzen Ladung obendrauf!

Mit diesem Hochgefühl fahre ich dem Ossiacher See entlang, mache unterwegs einen kurzen Stopp zwecks Bettsuche für kommende Nacht und fahre direkt dorthin: zum Gasthof Pension Bürger in Schiefling am Wörthersee. Auf der geraden Strecke fällt mir hie und da ein leichtes Kratz- oder Schleifgeräusch auf, welches ich bis anhin noch nicht gehört habe. Ich hoffe, dass bei der rauen Abfahrt von vorhin nichts Schaden genommen hat und nehme mir vor, morgen genauer darauf zu achten. Die Pension erreiche ich schon kurz nach halb acht, und so fahre ich nach dem Zimmerbezug noch schnell zum Pyramidenkogel ganz in der Nähe, dessen herrliche weite Aussicht vom Turm aus ich vom letzten Jahr noch in Erinnerung habe und auf dessen Touristenscharen ich gut verzichten kann. Mittlerweile hat auch Erika auf meine Nachricht geantwortet, und wir freuen uns auf unser Treffen morgen um 10 Uhr im "Karawankenblick" in Ehrensdorf.



Hier die Routenkarte von den beiden Tagesetappen:



25. August:
Salzburg - Turracher Höhe - Hochrindl/Alpl - Wabl/Neuwirt - Kreuzwirt (Zammelsberg) - Masternitzen / St. Philippen - Pisweger Sattel - Glödnitz

Total 238 km


26. August:
Glödnitz - Flattnitz - Grattinger Sattel - Prekowa - Gunzenberg - Höhwirt - Eggen - Wegscheide - Simonhöhe - Ossiacher Tauern - Pyramidenkogel - Schiefling am See

Total 228 km

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