Grossglockner-Hochalpenstrasse - Das Abenteuer beginnt! (7.8.2020)



7. August 2020, Freitag

Endlich! Auf diesen Moment warte ich seit fast einem Jahr - seit diesem unglaublichen Sommer des letzten Jahres, als mich die Sehnsucht gepackt und der Motorradreisen-Virus angefallen hat; als ich damals nach der letzten Vorstellung der Salzburger Festspiele 2019 meine kleine Honda mit meinem ganzen Karsumpel bepackt hab und einfach Richtung Süden aufgebrochen bin; ohne ein bestimmtes Ziel, nur mit der vagen Idee, in ein bis zwei Wochen über die schönsten Passstrassen durch Kärnten und ganz Slowenien bis zur Adria zu fahren und über die italienischen Alpen zurück in die Schweiz; die Route jeweils nur für den nächsten Tag ungefähr zu planen und dort zu übernachten, wo mich mein Weg bis zum Eindunkeln hingeführt haben würde; die grenzenlose Freiheit zu geniessen und offen zu sein für alles, was mich unterwegs erwarten würde...

Das Hochgefühl dieses Abenteuers hatte mir damals einen solchen Schub verliehen, dass die Erinnerung daran, aber vor allem nun auch die Vorfreude auf meine anstehende Fahrt und das dadurch angestaute Adrenalin mich die letzte Nacht kaum schlafen liessen. Genau genommen lässt sich eigentlich mein jetziger Aufbruch gar nicht mit demjenigen vom 25. August 2019 vergleichen, denn ich habe jetzt ja nur drei freie Tage zur Verfügung und muss am 10. August zur nächsten Elektra-Vorstellung wieder zurück in Salzburg sein. Und doch: Für mich beginnen mit dieser Tour eine Art Vorferien, denn ich habe, anders als im letzten Jahr, diesmal bis zur letzten Vorstellung mehrere zusammenhängende Freitage, die ich für grössere Etappen nutzen kann. Und zudem - aber das ist nur eine ganz vage, unausgesprochene, tief in mir schlummernde Idee, und dennoch ein Antrieb, der eine unglaubliche positive Spannung bewirkt: hätte ich vielleicht eine klitzekleine Chance, sämtliche 327 auf Passknacker.com eingetragenen Pässe, Wasserscheiden und Knackpunkte Österreichs.......... Nein! Ich will mir keine Challenge suchen, keine unnötigen Stresssituationen auferlegen, mich nicht einem Zeitplan unterwerfen müssen, den es zweifellos bräuchte, um dieses für mich Motorrad-Anfängerin vielleicht doch allzu ehrgeizige Ziel erreichen zu können. Aber: Ja, ich möchte so viele Punkte wie möglich sammeln, vor allem auch neue Wege und Routen kennenlernen, möchte das Reisen geniessen, möchte auch Zeit einplanen, um spontan irgendwo länger als erwartet verweilen zu können. Ich werde zwar meine Routen so planen, dass ich keinen Punkt am Weg auslasse, das gehört zur Abmachung mit mir selbst. Nach der letzten Elektra kann ich dann ja mal über die Bücher gehen und schauen, was ich hab, und was noch fehlt. Und dann kann ich mir immer noch Gedanken darüber machen.



Mein Abenteuer beginnt hier, jetzt. Ich fahre zu den wunderschönsten Panoramastrassen Österreichs, vielleicht der Alpen, sicherlich gehören sie sogar zu den Bekanntesten der Welt! Und da es Mitte August auch in Pandemiezeiten schwierig ist, in diesem touristischen Hauptgebiet um den Grossglockner herum kurzfristig eine bezahlbare Übernachtungsmöglichkeit zu finden, habe ich mich entschlossen, für diese eine Nacht ein Zimmer im Voraus zu buchen; ein weiterer Grund dafür war auch die im Internet gefundenen Möglichkeit, bei der Buchung bei einem auf Motorradreisen spezialisierten Hotel vergünstigte Karten für die Panoramastrassen in Kärnten beziehen zu können. Das Ticket für den heute zu fahrenden Grossglockner habe ich hingegen schon gestern beim ÖAMTC geholt, so kommt es günstiger, und bei der Mautstelle geht es dann schneller.


Um 7.45 Uhr bin ich startklar und fahre los Richtung Süden ins Pongau, und nach einem beschaulichen Abstecher ins abgelegene Stubachtal dann über die Hauptverkehrsroute durch den Felbertauerntunnel nach Osttirol hinab. Beim frühen Mittagessen auf der Terrasse des Felbertauernstüberl bietet sich mir ein atemberaubender Ausblick weit über das breite Tal der Isel.



Kurze Zeit später befinde ich mich mitten drin in dieser Weite. Von Huben aus führen zwei Strassen seitlich weg zu Passknackerzielen: nach Nordosten geht es erst zur Moa-Alm (Ausblick im Bild links) und zum Lucknerhaus an der Kalser Glocknerstrasse, wo ich es nicht fertig bringe, ein Mautticket zu vier Euro zu lösen, damit sich die Schranke öffnet. Keine Ahnung, was ich falsch mache, denn bei anderen Auto- und Töfffahrern funktioniert es. Nachdem mich einige Kollegen überredet haben, fahre ich einfach neben der Schranke durch und nehme die holprige Strasse unter die Räder. Oben angekommen, schiesse ich mein Nachweisfoto so schnell wie möglich und fahre sogleich wieder runter, so unwohl ist es mir, ohne gültiges Ticket hier zu sein. Ein mulmiges Gefühl bleibt auch nachher, als ich wieder draussen bin, denn auf den Überwachungskameras wurde ich ja sicher gefilmt. Aber wenigstens würde man darauf ja auch sehen, dass ich verzweifelt versucht habe, diese doofe Maut zu bezahlen, beruhige ich mich selbst, und versuche, mich auf die nächste Etappe zu konzentrieren.

Zurück in Huben nehme ich nun die andere Abzweigung, welche nach Westen zum Staller Sattel führt. Wie gerne wäre ich diesen Grenzpass nach Italien runter gefahren, den ich im letzten Jahr in umgekehrter Richtung hinaufgefahren bin. Seine Fahrbahn ist so eng, dass der Verkehr durch eine Lichtsignalanlage abwechslungsweise richtungsgetrennt wird. Für jede Richtung gibt es pro Stunde jeweils ein Zeitfenster von einer Viertelstunde, wo die Ampel auf grün steht, der Rest heisst warten. Da es für mich aber bis zum Ende meines Engagements in Salzburg eh keine Option ist, ins Ausland zu fahren, kehre ich nach einer kurzen Pause auf der Passhöhe und dem obligaten Nachweisfoto wieder um.

Zum dritten Mal erreiche ich Huben und fahre nun endlich weiter südöstlich Richtung Lienz und von dort aus über den Iselsbergpass zur Kärntner Grossglocknerstrasse. Wie freue ich mich auf diesen Anstieg am späteren Nachmittag, wo der grosse Touristenverkehr bereits nachlässt. Vier Punkte gilt es am Grossglockner zu sammeln: Von Süden kommend erreiche ich zuerst die Kaiser-Franz-Josefshöhe mit dem Ausblick auf die einmalige Gletscherregion der Pasterze. Um fünf Uhr hat der Souvenirladen gerade geschlossen und die letzten Touristen verziehen sich. Wundervoll! Nachdem ich mich sattgesehen hab an diesem Wunder der Natur, welches sich leider mit jedem Jahr ein Stückchen mehr zurückzieht, fahre ich weiter durch spektakuläre Gebirgslandschaft zu den beiden Hauptübergängen, dem Hochtor und dem Fuschertörl, und von dort aus auf den höchsten befahrbaren Punkt des Grossglocknergebiets, zur Edelweissspitze auf 2571m.ü.M.




Von hier aus würde die Route nach Norden ins Salzburgische Pongau weiterführen, wo ich heute morgen durchgefahren bin. Da mich im Süden aber noch viele weitere Kärntner Pässe und für die Nacht ja ein Hotelzimmer erwarten, heisst es für meine kleine Honda und mich zum letzten Mal für heute: Umkehren, und den selben Weg zurück! Ich hatte eigentlich bei der Planung am Morgen insgeheim geliebäugelt, ob es noch für zwei weitere Pässe westlich von Lienz reichen würde, aber das war unrealistisch. Mit reiner Fahrzeit wäre es zwar machbar gewesen, aber Ich will mir die Zeit gönnen, um an den herrlichen Orten ein bisschen verweilen zu können; ich möchte die Atmosphäre in mir wirken lassen, den Gedanken freien Lauf und die Seele baumeln lassen. So nehme ich mir auch an diesem letzten Ort Zeit, fotografiere, während sich die tiefen Sonnenstrahlen hinter aufkommenden Wolken fächern, esse einen riesigen Germknödel, der zwar ein Jausenimbiss sein soll, aber für mich ein üppiges frühes Nachtessen darstellt, und mache mich anschliessend an die Abfahrt. 

Um 20.15 Uhr erreiche ich das Hotel Post in Oberdrauburg, stelle meine Honda in die fantastischste Töffgarage, die man sich vorstellen kann und geniesse noch einen "weissen Spritzer" im Gartenrestaurant.



Was für ein Tag! Und das war erst der erste. Ich bin überglücklich...




Salzburg - Enzingerboden - Felbertauerntunnel - Moa-Alm - Lucknerhaus/Kalser Glocknerstrasse - Staller Sattel - Iselsbergpass - Kaiser-Franz-Josefshöhe - Hochtor - Fuschertörl - Edelweissspitze - Oberdrauburg

Total 474 km

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