Kärntner Panoramastrassen und Freundschaften II (9.8.2020)

 

9. August 2020, Sonntag


Der Tag beginnt mit einer riesigen Überraschung: Meine herzlich-liebe Gastgeberin hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mir ein super feines und nahrhaftes Müesli-Frühstück zuzubereiten! Lange sitzen wir gemeinsam am Frühstückstisch ins Gespräch vertieft, und am liebsten würde ich noch länger bleiben. Doch das Programm für den heutigen Tag ist recht gross, und am Abend sollte ich wieder zurück in Salzburg sein... Darum heisst es Abschied nehmen. Aber wir freuen uns bereits auf ein Wiedersehen!

Dass ich gestern Abend nicht nach Villach hineinmusste, entpuppt sich jetzt als Vorteil, denn so muss ich nicht gross durch die Stadt fahren und kann die kürzest mögliche Verbindung wählen zu meinem ersten Etappenziel südlich der Stadt, den Dobratsch. Auch diese Villacher Alpenstrasse gehört zu den Perlen der Kärntner Panoramastrassen, auf die ich mich unglaublich freue. Das Wetter spielt mit Sonne und schattenspendender Bewölkung auch heute mit, und so würde ich am liebsten bei jeder zweiten Kehre oder den unzähligen Aussichtsplattformen anhalten und die fantastischen Ausblicke in verschiedene Himmelsrichtungen festhalten.

Begegnung auf dem Dobratsch

Auf dem obersten Parkplatz "Rosstratte" des Naturparks Dobratsch gönne ich meiner Honda eine Verschnaufpause und mache ein paar Schritte in der weitläufigen Hochebene, wo die weidenden Kühe fast den Himmel zu berühren scheinen.

Innerlich beginne ich aber bereits, mich von dieser herrlichen Atmosphäre loszulösen und auf die neue Etappe einzustellen. Langsam gehe ich zurück zum Parkplatz, wo mich eine einheimische Bikerin und ihr Mann wegen meiner kleinen Honda mit dem Zürcher Nummernschild ansprechen. Irgendwie wurde es mir bei all den Reisen nie richtig bewusst, dass solo fahrende Biker(innen) auf so kleinen Maschinen wohl eher selten so weit weg von zuhause anzutreffen sind und ich dadurch ein wenig auffallen könnte. Für mich sind es nicht weite Reisen, sondern einfach viele Etappen. Mein Aufbruch von Zürich liegt immerhin schon über einen Monat zurück, und von meiner Sommerbasis Salzburg bin ich ja nur eine Tagestour entfernt. Aber dadurch (und natürlich häufig auch ohne diesen Umstand) entstehen Kontakte, Gespräche, und wenn die Chemie stimmt, Bekanntschaften oder gar Freundschaften. Die Chemie stimmt in diesem Fall so total, dass wir vor unserer Verabschiedung unsere Nummern austauschen im Bestreben, in Kontakt zu bleiben und bei einer nächsten Gelegenheit eine gemeinsame Tour zu planen. Dass ich nach Kärnten zurückkommen würde, ist ja für mich sowieso klar, denn es gibt noch viele wundervolle Strecken und Punkte hier zu fahren. Aber fürs erste trennen sich nun unsere Wege wieder und ich mache mich beschwingt an die Abfahrt der Villacher Alpenstrasse - glücklich, durch die neue Bekanntschaft mit liebenswürdigen Menschen, die zudem meine Leidenschaft fürs Motorradfahren teilen, einen persönlichen Bezug zu dieser schönen Region gewonnen zu haben.


Zur slowenischen Grenze und zurück
Der Wurzenpass ist ein steiler und eher kleiner Grenzübergang von Villach nach Kranjska Gora in Slowenien. Da der Hauptverkehr seit 1994 durch den nahe gelegenen Karawankentunnel führt, ist der Wurzenpass nicht mehr stark frequentiert, aber spannend zu fahren, vor allem wenn man mit seiner 125-er auf den extremen Steigungen oder aus den Haarnadelkurven heraus Lastwagen, Camper oder Wohnwagen überholen möchte. Ich habe den Pass noch in bester Erinnerung vom letzten Jahr, als ich hier oben mein unvergesslich schönes Solwenienabenteuer begann. Aber diesmal liegt er leider in der entgegengesetzten Richtung meines Weges, und so ist dieser südliche Abstecher für mich fast eher eine Pflichtübung, denn ich habe noch etliche Pläne für heute, die ich noch bei Tageslicht ausführen möchte. So knipse ich vor dem Schild auf der bewaldeten Passhöhe nur schnell das Nachweisfoto und fahre zurück Richtung Norden. Nach einem kurzen Abstecher zum Krastaler Sattel mache ich mich an den anspruchsvollen Aufstieg der nordseitigen Gerlitzen-Gipfelstrasse nördlich von Villach. Der Beinah-Rundumblick von der Kuppe mit dem Gerlitzen Gipfelhaus, verschiedenen Seilbahnstationen und einer Sternwarte ist trotz etwas dunstiger Verhältnisse überwältigend: Im Südosten der Wörthersee mit Klagenfurt, im Süden die Karawanken, gegen Westen Drautal und Millstättersee und gegen Norden die Nockberge - mein nächstes Ziel.


Nockalmstrasse
Die Nockalmstrasse ist nach dem Grossglockner vermutlich die bekannteste Panoramastrasse Österreichs. Sie führt mitten durch den Biosphärenpark Nockberge, welcher durch seine charakteristische geschützte Fauna und Flora beeindruckt. Hier befindet sich der grösste zusammenhängende Fichten-, Lärchen- und Zirbenwald der Ostalpen. Die Strassen sind grösstenteils in sehr gutem Zustand und winden sich in weiten Bögen und unzähligen Kehren durch die Berge. Dass in einem solchen Gebiet möglichst leise gefahren werden soll und die Durchfahrt nachts gesperrt ist, damit die Tiere ihre Ruhe haben, versteht sich von selbst. Fast andächtig fahre ich durch diese intakte Bergwelt, freue mich an Kühen, die es sich mitten auf der Fahrbahn gemütlich machen oder an Murmeltierschildern, denen man nicht gerade häufig begegnet.



Die drei Passübergänge der Nockberge auf gut 2000m.ü.M. durchquere ich von Süden nach Norden und verlasse den Park bei Innerkrems. Von dort mache ich noch einen Abstecher zum Schönfelder Sattel, der sich bereits im untersten Zipfel des Salzburger Landes befindet. Die Strasse dorthin ist das Übelste, was mir bis jetzt an asphaltiertem Grund unter die Räder gekommen ist. Ich bin gespannt, ob sich seit letztem Jahr bezüglich Löcherausbesserung etwas getan hat - hat es nicht. Das heisst, die Strasse ist durch den Verschleiss eher noch schlimmer geworden. Aber hey, auch das gehört zu einer Motorradfahrt, und lässt ein bisschen mehr Abenteuerstimmung aufkommen.

 

Maltatal Hochalmstrasse
Eigentlich wäre ich auf gutem Weg, gemütlich und noch bei Tageslicht nach Salzburg zu kommen. Die Bewölkung ist im Lauf des Nachmittags immer dichter geworden und es ist nicht ganz sicher, ob es trocken bleiben würde bis zum Abend. Dennoch entscheide ich mich für einen grossen Abstecher, den ich am Morgen in meine Eventuell-Zusatz-Goodie-Planung genommen hab: Die Maltatal Hochalmstrasse zum Stausee hinauf. Schon im letzten Jahr wäre ich gerne zu diesem Punkt gefahren, aber es hat sich durch die zu kurzen Freitage-Abschnitte nicht ergeben. Wenn ich jetzt sofort losfahre, sollte ich es gut vor dem Sonnenuntergang hinaufschaffen - eine lange, nächtliche, kühle und vermutlich nasse Heimfahrt wäre mir dieser Anblick wert. So schlage ich den Weg bei Kremsbrücke Richtung Süden statt Norden ein und freue mich extrem auf den letzten Panorama-Anstieg dieser Dreitagestour. Durch Gmünd in Kärnten (da war doch was - schiesst es mir durch den Kopf... aber da denke ich lieber auf dem Rückweg nochmals drüber nach), durch schmucke Dörfer und vorbei an imposanten Wasserfällen geht es anschliessend durch grosses Waldgebiet stetig aufwärts. Längere Streckenabschnitte sind wegen Baustellen nur einseitig befahrbar und werden durch Lichtsignalanlagen freigegeben. Die Rot-Intervalle dauern dabei bis zu 20 Minuten, welche jedoch glücklicherweise in einem Countdown bei der Ampel angezeigt werden. Die noch gut sieben Minuten Wartezeit nutze ich für eine kleine Fotoerkundungs- und Bewegungsrunde, die mir nach dem langen Sitzen guttut. Es ist vor allem auch die beste Vorbeugung gegen Ärger, der bei mir unweigerlich aufsteigt, wenn's verkehrsmässig einfach nicht weitergeht und man nichts anderes tun kann als die Zeit totzuschlagen.
Je höher, desto kurvenreicher, die Bewaldung wird spärlicher und die Aussicht weitet sich, und auf der Strasse spazieren ganze Ziegenclans. Ich bin praktisch alleine unterwegs und geniesse die Fahrt in vollen Zügen. Bald öffnet sich der Blick auf den unteren Stauseespeicher, im Hintergrund die immense Kölnbrein-Staumauer des Hauptspeichers. Jeder Höhenmeter überwältigt mich mehr, ich bin gleichermassen beeindruckt von der Kraft der Natur und der Technik, die eine solche Anlage ermöglicht. Ich schraube mich mit meiner kleinen Honda bis ans oberste Ende dieser faszinierenden Strasse und schiesse mein Nachweisfoto vor dem Eingang des Berghotels Malta. Wenn ich morgen nicht eine Vorstellung hätte, würde ich mich sofort nach einem Bett für diese Nacht erkundigen - es muss fantastisch sein, an einem solchen Ort aufzuwachen. Stattdessen erkunde ich die grosse Anlage, fotografiere oder filme die glitzernde Wasseroberfläche des Stausees, die mich umzingelnden Berge, die tiefen Sonnenstrahlen, die leuchtenden Alpenpflanzen, und natürlich meine kleine Honda in dieser unbezahlbaren Szenerie. Nach all den Wahnsinnsmomenten, die ich in den letzten drei Tagen erleben durfte, erscheint mir dieser als die Krönung, und ich kann mich kaum losreissen. Obwohl noch eine weite Heimreise auf mich wartet, bleibe ich hier oben und lasse meine Seele auftanken, bis der letzte Sonnenstrahl von der Bergfront verschluckt wird und diesen magischen Ort im Schatten zurücklässt.







Einzigartig: Die geteilte Kirche in Gmünd
Auf der Talfahrt holt mich mein vorheriger Geistesblitz wieder ein und ich erinnere ich mich an die Worte meiner Gastgeberin aus Zlan: Sie erzählte von einer Kirche, durch die mittendurch eine Strasse führt! Ich konnte es mir kaum vorstellen, aber sie präzisierte, dass der Pfarrer auf der einen Seite der Strasse seine Predigt halten würde, während die Gemeinde in den Bänken auf der anderen Seite sässe und seinen Worten lauschen würde. Und ebendiese Kirche befände sich in Gmünd, einer kleinen Gemeinde in Kärnten. Neben den unzähligen Eindrücken der letzten Tage habe ich dann aber nicht mehr weiter an diese einmalige Kirche gedacht und hab auch nicht nachgeschaut, wo sich dieses Gmünd in Kärnten befinden würde. Aber als ich vorhin beim Ortschild dieser Gemeinde vorbeifuhr, machte es Klick. Und nun befinde ich mich auf dem Rückweg nach Gmünd, spüre, dass mein Magen langsam wieder leer wird und der Handy-Akku ebenfalls, und der Entschluss ist schnell gefasst: Stopp in einem Gmünder Café zwecks Laden sämtlicher Batterien und Suche nach der geteilten Kirche. Gedacht, getan, und kurz vor dem Eindunkeln stehe ich tatsächlich vor diesem weltweit einzigartigen Gebäude, der geteilten Kirche am Kreuzbichl.


Da es schon fast dunkel ist und ich die gut 150 km des Heimwegs eh bei Nacht fahren muss, habe ich keine Eile. Die gebührenpflichtige Tauernautobahn der A10 führt in kühnen Brückenbögen hoch über meinem Kopf und dem Talboden hinweg, die Auffahrten zu ihr sind weit weg. Aber ich ziehe es sowieso vor, die Landstrasse über die zwei noch fehlenden Pässe zu nehmen, welche direkt am Heimweg liegen, den Katschbergpass und den Obertauern. Ich habe den Ausbau dieser beiden Passstrassen vom letzten Jahr in sehr guter Erinnerung, sodass ich sie gerne auch im Dunkeln fahren mag. Allerdings merke ich, dass es doch sehr viel anstrengender ist, da ich wegen möglichem Wildwechsel extrem konzentriert und stets bremsbereit fahren muss, und so bin ich froh, dass ich nach meinem letzten nächtlichen Nachweisbild und dem erneuten Erreichen des Talbodens bei Altenmarkt doch noch auf die Autobahn einbiegen und die letzten 70 km geschützt geradeaus fahren kann. Extrem müde, aber unendlich erfüllt und dankbar für all die wunderbaren Eindrücke dieser Tour erreiche ich kurz vor halb zwölf meine kleine Salzburger Wohnung.




Zlan - Villacher Alpenstrasse - Wurzenpass - Krastaler Sattel - Gerlitzen Gipfelhaus - Nockalmstrasse: Schiestlscharte/Graupn-Höhe - Silva Magica/Grundalm - Eisentalhöhe/Schpeikhöhe - Schönfelder Sattel - Maltatal-Hochalmstrasse - Katschbergpass - Obertauern - Salzburg

Total 474 km



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Durch den Wienerwald und das Salzkammergut (15.-16.8.2020)

Halbzeit im Salzburger Sommer

Viele Pässe und viel Nässe (14.8.2020)