Kärntner Panoramastrassen und Freundschaften I (8.8.2020)

 

8. August 2020, Samstag


Gut ausgeruht und durch ein ausgiebiges Frühstück gestärkt stelle ich die letzten Teilrouten und geschätzten Fahrzeiten zusammen. Eigentlich zieht es mich ja nach Osten, aber ich muss noch eine Ehrenrunde zurück zu den beiden gestern nicht mehr geschafften Punkten westlich von Lienz drehen. Nach einem kurzen Abstecher zum Gailbergsattel und Plöckenpass an der italienischen Grenze (wo mich die Grenzwächter etwas skeptisch beim Fotografieren beobachten) beginne ich die Runde nach Westen Richtung Kartitscher Sattel. Durchs liebliche Lesachtal schlängelt sich eine sehr enge und sanierungsbedürftige, aber zum Glück kaum befahrene Strasse in endlosen Kurven 42 km der Gail und jedem seitlich zufliessenden Bächlein entlang bis ins Osttiroler Pustertal, welches weiter Richtung Westen ins Südtirol führt und in östlicher Richtung der Drau entlang zurück nach Lienz. Von der Pustertaler Höhenstrasse mit herrlicher Aussicht führt ein superschmales Bergsträsschen hinauf zur Hochsteinhütte mit noch fantastischerer Aussicht. Den Rest der Ehrenrunde nehme ich über die Schnellstrasse der Drau entlang, wo ich auf halbem Weg zum Kreuzbergsattel wieder an meinem Hotel vorbeikomme. Kleines Déjà-vu, wie mir das auf meinen Sammeltouren immer wieder passiert...



Als nächstes steht der Nassfeldpass auf dem Programm; auch dieser ein Grenzpass zu Italien, das heisst ein weiteres Mal umkehren und die gleiche Strecke zurückfahren. Es hat aber durchaus auch sein Gutes, wenn man eine gleiche Strecke zurückfährt: die Landschaft sieht in umgekehrter Richtung häufig ganz anders aus, und man lernt sie dadurch viel besser kennen, als wenn man sie nur in einer Richtung durchfährt. Aus diesem Grund versuche ich auch wenn immer möglich, meine Routenplanung so zu gestalten, dass sich möglichst neue Wege und Blickwinkel ergeben.

Das Nassfeld scheint ein grösseres Skigebiet zu sein, ich kann mir den Trubel zur Hauptsaison gut vorstellen und bin sehr froh, dass ich ausser einem anderen einsamen Biker aus Bayern, mit dem ich ein paar Worte wechsle, praktisch allein hier oben bin. Die Aussicht ist wiederum herrlich.



Auf dem Weg zurück ins Gailtal meldet sich mein Magen immer lauter, sodass ich in St. Stefan um halb fünf einen Mittagsstopp  für einen sehr feinen Vegiburger mit Almdudler einlege. Über die Windische Höhe geht's nach dem Essen weiter nördlich durch eine wunderschöne Hochebene namens Boden, bis ich endlich zum letzten Aufstieg dieses Tages ansetzen kann: Es ist die Goldeckstrasse, eine weitere Kärntner Panoramastrasse, die ich noch nicht kenne.


Da es schon auf Abend zugeht, ist das Mauthäuschen nicht mehr besetzt und die Barriere offen; mein Ticket, welches ich gestern im Hotel Post gekauft hatte, kann ich also fürs nächste Jahr aufbewahren. Die Fahrt hinauf ist ein einziger Traum. Ich kann mich kaum sattsehen an den stets wechselnden Panoramen, an der wunderbar in die Landschaft hineingebauten Strasse, an den vielen Tieren am Weg und dem mystischen, immer goldiger werdenden Abendlicht. Wie wunderbar, solche Momente erleben zu können! Die Strecke (auch diese Panoramastrasse ist eine Sackgasse) hat mich so in Bann gezogen, dass ich vor der Rückfahrt spontan beschliesse, meine Helmkamera wieder einmal einzusetzen, welche ich seit meinen ersten Filmversuchen auf Schweizer Strassen stets dabei, aber nicht mehr benutzt habe. Ich bin gespannt, wie die Kamera mit dem zum Teil sehr tiefen Gegenlicht der Abendsonne umgeht...



(An dieser Stelle wird das Video bzw. ein Link dazu erscheinen, sobald es fertig geschnitten ist.)


Die abendliche Internetsuche nach einer Übernachtung in Villach entpuppt sich als schwieriger als erwartet. Umso erfreuter bin ich, als ich in Zlan am Fusse der Goldeckstrasse im Vorbeifahren vor einem hübschen Häuschen ein Schild sehe mit der Aufschrift "Zimmer frei". Unwillkürlich stoppe ich und klingle an der Haustür. Nach einer Weile öffnet mir eine liebenswürdige ältere Frau und freut sich, mir ein super gemütliches, picobello sauberes und erst noch günstiges Schlafzimmer mit eigenem Gartensitzplatz anbieten zu können. Internet benutzt sie nicht, und so ist diese Lokalität auch nicht auf den Plattformen gelistet. Wie in Vorinternetzeiten halten hier nur langjährige Feriengäste oder spontane Durchfahrer wie ich. Solche Begegnungen mit den lokalen Menschen sind die Würze der Reisen. Aus den Gesprächen mit ihnen gewinnt man einen persönlicheren Blick auf die Gastregion und wohl ein besseres Verständnis, als es der beste Reiseführer je vermitteln könnte.


Und manchmal entstehen Freundschaften.





Oberdrauburg - Gailbergsattel - Plöckenpass - Kartitscher Sattel - Hochsteinhütte - Kreuzbergsattel - Nassfeldpass - Windische Höhe - Boden - Goldeck Panoramastrasse - Zlan

Total 317 km


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