Ins Grüne Herz Österreichs (19.-20.8.2020)



19. August 2020, Mittwoch


Die Aufhellung von gestern Abend hat nicht zu viel versprochen: Eeeeeeeendlich scheint sich das seit Tagen wetterbestimmende Tief zu verziehen, und es stehen sonnige Tage bevor! Perfekt für meine Reise runter zum Semmering und dann wieder hoch und mitten hinein ins "Grüne Herz Österreichs", wie die Steiermark mit Stolz und Liebe und einer grossen Prise Marketingkalkül überall beschrieben und beworben wird. Passend ist der Vergleich auf jeden Fall, mindestens was die geographische Position und die Farbe des waldreichen Bundeslandes betrifft, vielleicht aber auch, was man an Emotionen und (wirtschaftlichem?) Antrieb mit dem Herzen assoziiert.

Mein erstes Ziel heute Morgen ist dank der ausgezeichneten Startlage nur wenige Minuten entfernt. Die Strasse zum Dürrholzer Kreuz führt, wie auch bei den nächsten vier Punkten, oben angekommen jeweils auf der anderen Seite in andere Täler und Richtungen; ich muss aber immer wieder zurück ins Halbachtal und die Aufstiege zu den nächsten Passhöhen von unten beginnen, auch dort, wo es in der Höhe zwischen den verschiedenen Punkten kleine Verbindungswege gäbe, denn diese unterliegen alle einem Fahrverbot. Dafür lerne ich das Tal aus den verschiedensten Blickwinkeln kennen und sehe entlang den Bächen neben wildromantischen Ecken auch manch kuriose Namensschilder. Bei dieser Sackgasse in die Hölle passe ich gut auf, dass ich nicht die falsche Einfahrt erwische! 😉

Durchs ebenso schöne Tal der Schwarza geht's anschliessend weiter Richtung Süden.



Der Semmering in Sichtweite

Kurz nach eins erreiche ich den Kreuzberg, und da es auf der Passhöhe beim Gasthaus Polleres eine wunderschöne Terrasse an der Sonne gibt, bleibe ich zum Mittagessen hier und geniesse als einziger Gast die wunderbare Aussicht zum Semmering rüber, meinem nächsten Ziel.

Der Weg dorthin wird mehrere Male von beeindruckenden Brückenbauten der Semmeringbahn gekreuzt. Diese Bahnstrecke gehört seit 1998 zum UNESCO-Weltkulturerbe.





Auf der Passhöhe des Semmerings freue ich mich über den kurzen Schwatz mit einem Bikerkollegen, welcher mich zusammen mit meiner kleinen Honda für das Nachweisbild verewigt. Anschliessend fahre ich nochmals ein kurzes Stück zurück, um nicht der Hauptachse entlang, sondern über den wundervollen kleinen Übergang bei Orthof nach Westen zu gelangen. Über die Preiner Gscheid geht's danach in einem weiten Bogen von etwa 40 km durchs steirische obere Mürztal und kurz vor Frein ganz nahe am spektakulären Wasserfall "Altes Weib" vorbei. Einen längeren Aufenthalt an diesem speziellen Ort werde ich für meine nächste Tour in dieser Gegend definitiv einplanen!


Kurz danach, es ist mittlerweile vier Uhr geworden, erreiche ich den Lahnsattel und geniesse während den folgenden zwei Stunden die Fahrt auf herrlichen Passstrassen zu bekannten, aber vor allem auch unbekannten Punkten.



In Annaberg nördlich von Mariazell mache ich einen Erholungsstopp, und während ich vor dem Gasthof Meyer gerade die Honda am Abschliessen bin, fahren vier GS-Fahrer hupend und winkend vorbei - die vier Helfer von gestern, welchen ich lachend zurückwinke! Wenig später beim Cappuccino schaue ich mich schon nach einem Bett für die Nacht um, möglichst so gelegen, dass ich noch etwa zwei weitere Stunden fahren kann; Mariazell wäre dazu perfekt und zudem mit den sternförmig umgebenden Pässen eine hervorragende Ausgangslage für den morgigen Tag. Doch ist die Ortschaft so bekannt, dass es nicht einfach ist, eine bezahlbare Bleibe für die Nacht zu finden, und ich entscheide, für einmal lieber etwas tiefer in die Tasche zu greifen und dafür heute Abend und auch morgen ohne Sorge fahren zu können. Nach vielen Telefonaten finde ich endlich ein Zimmer in Scherflers Hotel Goldenes Kreuz mitten im Zentrum von Mariazell und freue mich nicht nur auf die noch anstehende Fahrt in der Abendsonne, sondern hoffe auch, dass ich es bis 21 Uhr ins Hotel schaffe, um die sicher hervorragende Küche noch geniessen zu können.

Goldenes Licht beim Wastl am Wald
Diese letzten Stunden im herrlichen Licht der tief stehenden Sonne bilden den Höhepunkt des Tages. Nach einer ausgedehnten Runde nach Norden erreiche ich bei Wastl am Wald fast wieder den unteren Rand des gefahrenen Kreises und verweile einen Moment in dieser wunderschönen Abendstimmung im Wald.


Über einen letzten Pass bei Josefsberg geht's dann endlich südwärts in die Steiermark nach Mariazell, wo ich mein Motorrad im Hotelhof unterstellen kann und, kurz bevor die Küche schliesst, das Restaurant betrete! Ich bereue keinen Cent meiner Mehrausgaben und geniesse den Luxus in vollen Zügen. :-)





20. August 2020, Donnerstag

Ein kleines Jubiläum für die Honda!

Auch der heutige Tag beginnt mit herrlichem Sonnenschein! Ich beginne meine Sterntour nach allen Himmelsrichtungen rund um Mariazell: Zuerst nach Nordwesten zum Zellerrain und zum total abgelegenen 5-Häuser-Weiler Raneck, anschliessend nach Südwesten zum Hochschwabblick, einer sehr kurvenreichen und gut ausgebauten Passstrasse, die deswegen aber auch sehr viele Motorradfahrer anlockt. Irgendwie fühle ich mich plötzlich mitten in ein Bergrennen versetzt, wo ich natürlich mit meiner 125er weder Chance noch Lust habe und abgesehen davon auch nicht das nötige Können hätte, mit den starken Maschinen, die an mir pausenlos dröhnend vorbeiflitzen, mitzuhalten. Da es auch Gegenverkehr gibt, sind manche Überholmanöver ziemlich riskant, und ich bin froh, als ich oben heil ankomme und auch auf dem Rückweg an keinem Biker vorbeifahren muss, der auf der Strecke gebliebenen ist.

Als nächstes geht es nach Südosten hinauf zum Niederalpl. Schon länger beobachte ich den analogen Kilometerstand der Honda, welcher neben der Zwei viele Neunen aufweist - es fehlen nur noch wenige km bis zum Dreissigtausendsten! Auch wenn die ersten knapp 6'000km von einem früheren Besitzer gefahren wurden, ist es für mich doch speziell, nach gemeinsamen über 24'000km mit meiner kleinen Honda diese Marke zu erreichen. Je näher sie kommt, desto besser kann ich abschätzen, wo es in etwa sein wird, und am Fusse der Passstrasse zum Niederalpl bin ich ziemlich sicher, dass wir das kleine interne Jubiläum oben auf dem Pass feiern können. Tatsächlich fehlen bei der Ankunft gerade mal 150 Meter, und so lasse ich es uns nicht nehmen, diese paar Meter ein Stück weiter und wieder zurück zu fahren, sodass der Zähler genau auf dem grossen Parkplatz vor dem Passschild von 29'999.9 auf 30'000.0 wechselt! Ich habe einfach eine Saufreude an diesen Spielereien und investiere gerne einen Teil der doch eher knapp bemessenen Zeit für solchen Nonsens - auch wenn das die meisten wohl kaum nachvollziehen können.

 

Nach diesem Intermezzo geht es wieder zurück ins Tal und dann Richtung Süden über den Seeberg und zwei weitere Abstecher zu Pretalsattel und Pogusch ganz runter ins Mürztal, wo es in St. Lorenzen in der Steirischen Stub'n gegen drei Uhr nachmittags eine feine Mittagspause gibt. Hier ist wieder mehr Verkehr, und ich bin froh, geht es nach Bruck an der Mur und nördlich der Bezirkshauptstadt Leoben wieder hinauf in mehr Natur.

Eisenerz
Die Strecke zum Präbichl ist allerdings auch sehr stark befahren und entsprechend gut ausgebaut. Hier sind aber vor allem Lastwagen unterwegs, und den Grund dafür sehe ich erst auf der Passhöhe: Vor mir liegt der Erzberg, an welchem in riesigem Umfang Eisenerz abgebaut wird. Es handelt sich dabei um den grössten Eisenerztagbau Mitteleuropas und das weltweit grösste Sideritvorkommen! (Quelle) 
Nach einer grossen 180°-Kehre stoppe ich, um diese Riesenabbaustelle und die kühn in den Berg hineingebaute Passstrasse fotografieren zu können.

Es ist bereits fünf Uhr, als ich die Radstatthöhe erreiche und von dort aus nochmals eine Schlaufe nach Nordosten zu den letzten drei Punkten Niederösterreichs ziehe. Die Hochkar-Alpenstrasse von Lassing aus zum bekannten Skigebiet auf 1482m.ü.M. hinauf kenne ich noch vom letzten Jahr und freue mich auf die tolle Aussicht vor allem bei der Rückkehr ins Tal hinunter. Zum ersten Mal lerne ich hingegen die teils ziemlich enge Strasse durch ein grosses Waldgebiet auf der anderen Talseite nach Promau kennen. Hier bin ich wieder vollkommen allein unterwegs und überwältigt von der Schönheit der Natur.



Mit der Promau habe ich den letzten Pass Niederösterreichs "erfahren" und muss nun an den Heimweg denken: Zwei Pässe kann ich dabei noch integrieren. So geht's zurück nach Lassing und dann wieder talauswärts, wobei ich bei Palfau auf die andere Talseite wechsle und von dort über den Erbsattel Richtung Buchauer Sattel fahre. Dort angekommen ist es bereits halb acht und die Sonne am Untergehen, sodass ich die letzten Bilder des Tages in meinem Lieblingslicht aufnehme.





Nach einer kurzen Stärkung im Gasthaus zur Ennsbrücke in Admont geht es in schon fast vollständiger Dunkelheit mir endlos scheinende 12 km über die Landstrasse, bis ich in der Nähe von Liezen endlich die Autobahn erreiche und von dort aus die letzten 170 km dieser wunderbaren Viertagestour unter die Räder nehme. Das ist zwar ziemlich anstrengend, aber mit zwei Kaffeestopps schaffe ich es gut und kann zuhause in Salzburg so erschöpft in mein Bett sinken, dass ich mich den ganzen nächsten Tag von Anfang an und ausgeruht auf die Festspiel-Abendvorstellung freuen kann. Und worauf ich mich ebenfalls freue und jetzt schon weiss: dort, wo ich heute Abend mit dem Pässesammeln aufgehört habe, werde ich bei der nächsten Tour hinfahren und nahtlos weitermachen!



Hier die Routenkarte mit den beiden Tagesetappen:


19. August:
Kleinzell - Dürrholzer Kreuz - Ochsattel - Haselrast - Rohrer Sattel - Klostertaler Gscheid - Kreuzberg (Breitenstein) - Semmering - Orthof - Preiner Gscheid - Lahnsattel - Kernhofer Gscheid - Michelbühel - Pfarralm/Annarotte/Schmelz - Annaberg - Pielachtaler Gscheid - Wastl am Wald - Josefsberg - Mariazell

Total 292 km


20. August:
Mariazell - Zellerrain - Raneck - Hals/Hochschwabblick - Niederalpl (30'000km!🏆😀) - Seebergsattel (Stmk) - Pretalsattel - Pogusch - Präbichl - Radstatthöhe - Lassinger Sattel - Hochkar - Promau - Erbsattel - Buchauer Sattel - Salzburg

Total 533 km

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